Schlagwort-Archive: JMStV

Bandwürmer und Jugendschutzbehörden

Alle Schriftsätze von Jugendschutzbehörden leiden unter mangelnder Verständlichkeit. Insbesondere Landesmedienanstalten errichten aus Textbausteinen labyrinthische Kompliziertheiten ersten Rangs. Beispielsweise wird jede Anhörung und jeder Bescheid mit folgenden oder sehr ähnlichen Bandwurmsätzen eingeleitet:

Sehr geehrte/r Frau/Herr,

gemäß §§ 14 Abs. 1, 20 Abs. 1, 6 des Staatsvertrags über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV) vom 10./27. September 2002, in der ab 1. April 2013 gültigen Fassung des 13. RStV-Änderungsstaatsvertrags, ist die Landesmedienanstalt zuständig für die Aufsicht über die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen des JMStV. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben wurde die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) gebildet, die im Einzelfall als Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt tätig wird (vgl. § 14 Abs. 2 JMStV). Die KJM ist zuständig für die abschließende Beurteilung von Telemedien. Gemäß § 18 JMStV unterstützt Jugendschutz.net, die durch die obersten Landesjugendbehörden eingerichtete Stelle Jugendschutz aller Länder, die KJM bei deren Aufgaben…

 

Google.de zensiert Search.xxx

Search.xxx ist eine Suchmaschine, die Websites unter der neuen .xxx-Top-Level-Domain findet. Solche Websites können pornografisch sein, aber sind es überwiegend nicht.

Jetzt hat Google die Suchmaschine Search.xxx aus seiner Trefferliste verbannt. Hintergrund ist eine freiwillige Vereinbarung mit der Bundesprüfstelle, die am 29. Januar 2013 beschloss Search.xxx in die Liste jugendgefährdender Medien einzutragen und gemäß Vereinbarung müssen solche Websites bei Google verschwinden. Selbstzensur einer Suchmaschine.

Aber mit einem einfachen Trick lassen sich alle Suchergebnisse von Search.xxx noch finden und zwar unter site:.xxx bei Google. Muss nun auch Google auf die Liste jugendgefährdender Medien? Vermutlich wird diese Frage zu juristischen Diskussionen führen.

Im Übrigen droht bei Verlinkung auf Search.xxx ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro (§ 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 JMStV iVm § 24 Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 3 JMStV).

Fuck the Diet

Heute veröffentlichte die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen ihren zweiten Prüfreport, der „über eingegangene Beschwerdefälle informiert und im Einzelfall die medienrechtliche Bewertung liefert.“ Unter anderem werden die juristischen Verfahren der letzten Monate erläutert, etwa zu „Pornografie im Fernsehen und Internet oder vulgären Werbeslogans.“

Am Beispiel eines „Du darfst“-Spots unter dem Titel Fuck the Diet fragt sich die Landesmedienanstalt, ob „stereotype Geschlechterrollen mit diskriminierenden Verhaltensmustern gezeigt“ bzw. „eine Vermittlung problematischer Rollenbilder oder die Verknüpfung von Sexualität und Gewalt“ erfolgt und kommt zu dem Ergebnis, dass „hier kein Verstoß gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag hinsichtlich einer möglichen Entwicklungsbeeinträchtigung“  vorliegt.

Auch die weiteren Beispiele im Prüfreport sind wenig erhellend. Gegen den Sender SexySat TV kann nicht vorgegangen werden, weil „nach niederländischem Recht bestimmte Medieninhalte grundsätzlich zulässig sind, die nach deutschem Recht unzulässig wären. Für derartige Fälle gibt es formelle Verfahren, um bei diesbezüglichen unvereinbaren Rechtssituationen in einzelnen Staaten eine Änderung herbeizuführen. Diese sind jedoch äußerst langwierig.“

Schließlich bleibt die Beschwerde gegen ein pornografisches Internetangebot erfolglos, weil „die Whois-Abfrage ergab, dass der Domain-Inhaber der Seite in den USA sitzt, weshalb der direkte Zugriff auf den unmittelbar Verantwortlichen nicht möglich ist.“

Ergebnis: Außer Spesen nichts gewesen.

milf.de

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat ein Grundsatzurteil (milf.de – Az.: 9 K 139/09) zur Frage der Admin-C-Haftung gefällt. In dem Verfahren musste das Gericht prüfen, ob dem Admin-C eine Anbietereigenschaft nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) zukommt und stellte (gekürzt) fest:

Der Kläger war nicht Anbieter von Telemediendiensten im Sinne des § 20 Abs. 1 und 4 JMStV i.V.m. § 59 Abs. 3 RStV und konnte daher nicht Adressat einer medienrechtlichen Feststellungs- und Beanstandungsverfügung sein.

Zwar handelt es sich bei dem beanstandeten Internetangebot um einen Telemediendienst. Jedoch war der Kläger unbeschadet seiner zeitweisen Benennung als Admin-C zu keiner Zeit Anbieter. Eine Definition des Anbieterbegriffs enthält der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag selbst nicht. Für die konkrete Bestimmung der Anbietereigenschaft kann aber nicht die Definition des „Diensteanbieters“ gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG herangezogen werden.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Anbieterbegriff des Jugendmedienschutzrechts eine eigene Bedeutung hat, und dass für die Abgrenzung insbesondere – in Anlehnung an den Begriff des Rundfunkanbieters – die Verantwortung für die Programmgestaltung bzw. der Einfluss auf den Inhalt maßgeblich ist. Die Voraussetzungen waren aber vorliegend aufgrund der bloßen Benennung des Klägers als Admin-C der Domain nicht erfüllt, da der Kläger allein durch die Ausübung dieser Funktion zu keiner Zeit eine rechtliche oder auch nur tatsächliche technische Möglichkeit der Einflussnahme auf die inhaltliche Gestaltung des unter der Domain betriebenen Internetangebots bzw. den technischen Zugang zu diesem hatte.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich die für einen Anbieter erforderliche Einflussmöglichkeit oder ein „zu Eigen machen“ von Inhalten bei einem bloßen Admin-C nicht aus den Domainrichtlinien der DENIC. Fragen, die die Verwendung und Verwaltung der Domain betreffen, sind klar zu trennen von Entscheidungskompetenzen oder technischen Zugriffsmöglichkeiten in Bezug auf die Inhalte des unter der Domainbezeichnung abrufbaren Angebots. Es ist nicht ersichtlich, dass Fragen des Inhalts eines Internetangebots von den Bestimmungen der Domainrichtlinien oder -bedingungen erfasst sein könnten.

„B“ wie Blog

Der „medienpolitische Expertenkreis“der CDU Deutschlands spricht sich für eine Novelle des bisherigen Jugendmedienschutzstaatsvertrages aus. Die CDU-Medienpolitiker fordern in ihrem Positionspapier unter anderem die Kennzeichnung „B“ für Blogs.

Hier einige Vorschläge:

Hoert, hoert!

Der von mir hochgeschätzte Prof. Hoeren hat sein aktualisiertes Skriptum Internetrecht veröffentlicht. Aber ausgerechnet im Jugendschutzrecht (S.530f.), zu dem er sich vor einem Jahr noch abfällig äußerte – „man wird den Verdacht nicht los, daß hier Legastheniker am Werke waren, die erst nach mehrfachen Anläufen ihr Jurastudium an irgendeiner C-Universität zu Ende gebracht haben“ -, sind in drei Absätzen drei Fehler enthalten:

  • Zunächst wird § 184c StGB zitiert, der vor drei Jahren mit Neuregelung der Jugendpornografie zu § 184d StGB geworden ist.
  • Dann wird behauptet, dass ein Altersverifikationssystem „der Zulassung durch die als Aufsichtsbehörde für sämtliche Anforderungen nach dem JMStV eingerichteten Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) bedarf.“ Nein, nur Jugendschutzprogramme bedürfen der Anerkennung. Andere Systeme nicht.
  • Schließlich wird der Eindruck erweckt, dass Altersverifikationssysteme „eine einmalige persönliche Identifizierung der Nutzer“ durchführen müssen. Als Beleg wird das ueber18.de-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2007 zitiert. Jedoch erlaubt dieses Urteil ausdrücklich eine „rein technische Altersverifikation“, die mit einem „entsprechend zuverlässig gestalteten Webcam-Check“ erfolgt.

Btx und Sendezeitbegrenzung

Die Idee einer Sendezeitbegrenzung für bestimmte Netzinhalte ist zu Recht umstritten, aber nicht neu. Bereits der 1991 novellierte Bildschirmtext-Staatsvertrag (BtxStV) enthielt folgende Regelung in § 9 Absatz 2:

Angebote, die ganz oder im wesentlichen mit Schriften inhaltsgleich sind, die in die Liste nach § 1 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften aufgenommen sind, dürfen nur in der Zeit zwischen 23.00 und 6.00 Uhr verbreitet werden…

Während vor zwanzig Jahren eine mediale Strafversetzung in die Nachtzeit noch voraussetzte, dass vorab eine Listenaufnahme durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften erfolgte, reicht nach heutiger Gesetzeslage (§ 5 JMStV) bereits der Verdacht einer entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung auf Jugendliche aus, um Internetinhalte für täglich 17 Stunden von den Bildschirmen zu verbannen.

Abmahnungen wegen neuem JMStV?

Am 1. Januar 2011 wird der novellierte Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) in Kraft treten* und es häufen sich bereits die besorgten Anfragen von Internetanbietern, die wettbewerbsrechtliche Abmahnungen wegen der neuen Rechtslage befürchten. Dazu ist festzustellen, dass mit der Novellierung keine neuen rechtlichen Pflichten auf die Anbieter zukommen. Sowohl die Regelungen zu jugendgefährdenden Inhalten bleiben weitgehend unverändert, als auch für sog. entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte. Letztere dürfen nach geltendem Recht nur innerhalb einer bestimmten Zeit verbreitet werden (Sendezeitbeschränkung) oder der Zugriff muss durch ein „technisches Mittel“ für Jugendliche wesentlich erschwert sein. Im nächsten Jahr können statt Sendezeitbeschränkung oder technischem Mittel auch Alterskennzeichen zum Einsatz kommen. Insofern besteht kein höheres Abmahnrisiko.

Zudem konnten in der Vergangenheit wettbewerbsrechtliche Abmahnungen wegen angeblicher Jugendschutzverstöße meistens abgewehrt werden. Hierzu zwei Beispiele: Im Jahr 2008 mahnte ein Anwalt in mehr als 30 Fällen ab. Ich war in vielen Fällen mandatiert und erwiderte in jedem Einzelnen:

Ihr Schreiben vom 6. August 2008 liegt uns vor. Die enthaltene Abmahnung weisen wir als unzulässig zurück. Denn offensichtlich wird rechtsmissbräuchlich abgemahnt, § 8 IV UWG.

Wir konnten ermitteln, dass Herr Florian Hübner kein Wettbewerber ist. Seine äußerst kurze Tätigkeit in der Online-Erotik dient einem einzigen Zweck: abzumahnen.

Wir fordern bis zum 18. August 2008 eine Verzichtserklärung hinsichtlich der geltendgemachten Ansprüche. Andernfalls sind wir beauftragt straf-, berufs- und zivilrechtlich vorzugehen.

Wenige Tage später ging die Verzichtserklärung ein:

…Aus prozessökonomischen und wirtschaftlichen Gründen hat sich mein Mandant daher entschlossen, die Angelegenheit nicht weiter zu verfolgen und die Ansprüche nicht weiter aufrecht zu erhalten. In den bei Ihnen anhängigen Fällen (Aktenzeichen UH-05, 08, 13, 14, 15, 20, 22, 24b, 25, 30, 32, 33, 41, 42-08) wird mein Mandant gegen Ihre Mandanten aus dem von uns in der Abmahnung bezeichneten Wettbewerbsverstößen keine Ansprüche, sowohl auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung als auch auf Übernahme von Anwaltskosten und Schadensersatz gemäß unserer Abmahnung geltend gemacht.

In einer Abmahnwelle aus dem Jahr 2004 mussten Kollegen etwas härter angefasst und mit gerichtlicher Hilfe gebremst werden. Letztlich entschied das OLG Düsseldorf (Az.: I-20 U 25/05) in einem meiner Verfahren, dass der abmahnende Anwalt ausschließlich „sein Interesse an der Schaffung von Gebührentatbeständen“ verfolge. Was ihm im Übrigen später auch die Zulassung gekostet hat. Weitere Einzelheiten im Interview.

*Nachtrag vom 16. Dezember 2010:

Aufgrund der heutigen Ablehung der JMStV-Novelle im nordrhein-westfälischen Landtag wird es zu keiner Gesetzesänderung am 1. Januar 2011 kommen.

Klarer Wortlaut

Seit mehreren Jahren streite ich mit Landesmedienanstalten über die Frage, ob Bußgelder verhängt werden dürfen, wenn Internetanbieter vollerotische Videos zeigen, ohne die Volljährigkeit der Zuschauer zweifelsfrei sicherzustellen. Ein Blick ins Gesetz scheint die staatlichen Jugendschützer zu bestätigen, denn die einschlägige Regelung in § 24  Absatz 1 Nr. 2 JMStV besagt, dass

„ordnungswidrig handelt, wer als Anbieter vorsätzlich oder fahrlässig, entgegen § 4 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Angebote verbreitet oder zugänglich macht, die in sonstiger Weise pornografisch sind.“

Jedoch steht diese landesrechtliche Vorschrift in Konkurrenz zum Strafgesetzbuch. Soll heißen: Weil der Bund eine Pornografieverbreitung ohne ausreichende Altersprüfung bereits in § 184 StGB unter Strafe stellt und damit Gebrauch von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz macht, sind die Länder nicht „kompetent“ ein eigenes Gesetz zu erlassen bzw. das erlassene Gesetz ist verfassungswidrig.

Bislang kam es zu keiner gerichtlichen Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit, weil Verjährungen oder andere Gründe die Verfahren beendeten. Nun schreibt die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) in einem aktuellen Fall:

„Soweit Sie ausführten, die streitgegenständlichen Regelungen des JMStV seien wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz formell verfassungswidrig, muss dem der klare Wortlaut des § 24 Absatz 1 Nr.2 JMStV entgegengehalten werden.“

Diese Argumentation ist juristisch schamhaarsträubend, denn jedes verfassungswidrige Gesetz hat einen mehr oder minder „klaren Wortlaut“. Wer zur Prüfung der Verfassungswidrigkeit nicht vom Regelungsgehalt eines Gesetzes ausgeht, sondern nur von der Regelungsklarheit, der kann auch Folter oder Todesstrafe einführen. Das entsprechende Gesetz müsste lediglich einen „klaren Wortlaut“ haben, um mit der Verfassung in Einklang zu stehen.

Im Übrigen sind auch alle anderen Ordnungswidrigkeiten nach § 4 JMStV verfassungswidrig, soweit ein identischer Straftatbestand vorliegt.

Gefährliches Gutachten

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz meint, dass bei Veröffentlichung des Gutachtens „Aufsichtsrechtliche Verfolgbarkeit von vermeintlich im Ausland befindlichen Content-Providern sowie dritten Beteiligten“, die öffentliche Sicherheit konkret gefährdet sei, weil aufgrund des Bekanntwerdens des Gutachtens Verstöße gegen den Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV -) zu befürchten sind.

OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. August 2010 (Az. 10 A 10076/10.OVG):

Im Namen des Volkes

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