Schlagwort-Archive: Big Brother

Bushido, der Beleidiger

Bushido ist wegen Beleidigung einer TV-Container-Insassin über Facebook und Twitter zur Zahlung von 8.000 Euro verurteilt worden. Nach Ansicht des Landgerichts Berlin waren alle vier Äußerungen – „XXX du Nutte!!!!!!!!“, „XXX du Kacke!!!“, „XXX sieht aus wie ne Mischung aus Der Joker, nem Schimpansen, Michel Jackson und Tatjana Gsell“ sowie „XXX hat so nen ekligen Zellulitiskörper pfui Teufel“ – als Schmähkritik einzustufen. Die Klägerin hatte Geldentschädigung von 100.000 Euro gefordert, aber dies erschien dem Gericht unangemessen, weil Äußerungen von Rappern mit ihrer teilweise unsachlichen und überzogenen Tendenz vom verständigen Durchschnittsbürger nicht für bare Münze genommen werden.

Dirty Tracy

Unter der Überschrift „Das bizarre Internet-Protokoll der Nazi-Braut“ berichtet BILD über das Surfverhalten der mutmaßlichen NSU-Unterstützerin Beate Zschäpe:

Immer wieder surfte Zschäpe auf Pornoseiten. Bisweilen schon vormittags, meistens am Abend klickte sie auf Websites wie „Gina Lisa Sexfilm“, „Dirty Tracy“ oder „Jasmin geil im Keller“. Vor allem „sexy Cora“ schien sie zu faszinieren. Das 2011 verstorbene Pornostarlet hatte sich aus ähnlich schwierigen Verhältnissen wie Zschäpe sogar bis in den „Big Brother“- Container gekämpft und ein paar Singles veröffentlicht. Lebte „sexy Cora“ einen Karrieretraum, den auch Zschäpe träumte?

Programmbeschwerde.de

Bei Landesmedienanstalten handelt es sich um fragwürdige Behörden. Die vierzehn Oberwachtmeister sind stets und vor allem damit beschäftigt zu beweisen, dass man sie braucht. Als Messinstrumente der eigenen Wichtigkeit dienen Medienkompetenzprojekte und Bürgerbeschwerden. Letztere werden häufig nur nach Quantität, aber nicht nach Qualität beurteilt. So lautete beispielsweise die Überschrift zum jüngsten Tätigkeitsbericht der Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten:

„Rundfunk-Beschwerden verfünffacht.“
(Pressemitteilung vom 27. Juli 2011)

Um die Empörungen der einfachen Fernsehzuschauer zu kanalisieren, richtete die saarländische LMS im Jahr 2004 die Meckerecke Programmbeschwerde.de ein, unter eifersüchtiger Beobachtung der anderen Landesmedienanstalten. Allerdings meldeten die meisten Petenten statt Verstößen gegen die Mediengesetze solche gegen ihre Geschmacksgrenzen. Beispielsweise Roger M. aus Mindeln über „Big Brother“:

Ich finde, es ist eine Frechheit, wie Ruth ihre Riesenoberweite im Fernsehen präsentiert. Obwohl das sehr anregend für mich ist, gehört so ein toller großer Busen aber nicht ins TV.

Seit gestern können sich die Medienaufseher vor Programmbeschwerden nun nicht mehr retten. RTL Explosiv hatte sich über Besucher der Spielemesse Games Convention lustig gemacht und berichtet: „Irgendwann in seinem Leben steht jeder pubertierende Junge vor der Frage: Kaufe ich von meinem Taschengeld einen Rasierapparat oder doch lieber ein Computerspiel? Wenn man sich da falsch entscheidet, landet man hier.“ Auch hätten Gamer große Probleme eine Frau zu finden und tragen immer eine Waffen-Attrappe mit sich herum. Daraufhin explodierte Giga und rief zum Protest auf. Dieser gipfelte in über 6.800 Beschwerden gegen RTL und einem verzweifelten Hilferuf der LMS, nachdem die Website zusammenbrach:

Damit dürfte die Überschrift für den nächsten Tätigkeitsbericht feststehen: „Anzahl der Rundfunk-Beschwerden erneut explodiert.“ Im Übrigen ist Programmbeschwerde.de kein gutes Beispiel für die Medienkompetenz der Landesmedienanstalten, denn die Website war in ihren ersten Jahren offen wie ein Scheunentor und eine datenschutzrechtliche Katastrophe. Jede eingegangene Beschwerde war frei abrufbar, zusammen mit Name, Adresse und Telefonnummer des Beschwerenden. Die LMS wollte sich mit einer Hackerattacke rausreden, geglaubt hat es niemand.

Nachtrag: Mit Pressemitteilung vom 26. August 2011 erklärte die Niedersächsische Landesmedienanstalt, dass der RTL-Bericht über die Gamescom nicht gegen das Medienrecht verstößt.

Zweiter Nachtrag: Die saarländische Landesmedienanstalt teilte am 29. August 2011 mit, dass es über 11.500 Programmbeschwerden gab, die nicht einzeln beantwortet werden könnten.

Skandal!!!

Mit bahnbrechenden Erkenntnissen überraschte uns heute die nordrhein-westfälische Landesmedienanstalt. Wie eine neue Studie enthüllt, findet im Fernsehen eine „Steigerung der Skandalisierung“ statt und „Grenzverletzungen werden gezielt als Strategie eingesetzt, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erzeugen.“

Weiteres Wissen konnten die Medienwächter zusammen mit Forschern der Freien Universität Berlin durch „qualitative Fallstudien und Gruppendiskussionen“ gewinnen. Festgestellt wurde am Musterbeispiel „Big Brother“, dass „Sexualisierung verstärkt zum Einsatz“ kommt und sich „Darstellungen von Nacktheit zugespitzt“ haben.

Zudem wird – laut Landesmedienanstalt – von den TV-Sendern „die Behauptung eines Tabubruchs bereits im Vorfeld der Ausstrahlung gezielt eingesetzt, um Medienberichterstattung hervorzurufen.“

Es ist ein Skandal!!!

Pressemitteilung der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt vom 23. März 2011

Nachtrag: Mit Schreiben vom 10. Juni 2011 teilte mir die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) mit, dass die Kosten für die Studie bei 75.ooo Euro lagen. Im Ergebnis wurden damit die GEZ-Monatsgebühren von 4.200 Vollzahlern ver(sch)wendet.

 

Das Jahr 2010: Rückblick durch die Glaskugel

Januar 2010: Die 10. Staffel von Big Brother startet mit einem deftigen Sexskandal. Jedoch bleibt die von RTL2 erwartete mediale Aufgeregtheit aus, insbesondere werden keine Verbotsforderungen laut.

Februar 2010: Pro7 versucht mit 50 pro Semester ebenfalls im horizontalen TV-Gewerbe zu punkten. Macht aber frühzeitig schlapp. Dagegen betonen die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ihren Auftrag zu Grundversorgung und Qualitätsjournalismus. Die GEZ-Gebühren werden umgehend erhöht.

März 2010: Obwohl die gesetzlichen Regelungen zu Sendezeitbegrenzung für Erotikseiten im Internet und Jugendschutzprogrammen überarbeitungsbedürftig sind, wird die für das Frühjahr geplante Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags auf unbestimmte Zeit verschoben.

April 2010: Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert mehrere Alben von Pornorappern sowie die neue DVD von Rammstein, weil der schweizerische Konzertmitschnitt den Titel „Ich tu Dir weh“ enthält und dreimal „Aua“ gesungen wird.

Mai 2010: Nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl öffnen sich – plötzlich und völlig unerwartet – riesige Löcher im Staatshaushalt. Daraufhin kommen Vorschläge wie eine höhere Umsatzsteuer für Erotikliteratur erneut auf den Tisch.

Juni 2010: Aufgrund aktueller Todesfälle bei Jugendlichen, ausgelöst durch Komasaufen, Chatten in Suizidforen, Non-Stop-Facebooken oder Amoklauf, fordert Jugendministerin Köhler eine drastische Verschärfung der Jugendschutzgesetze. Umgehend wird in Berlin ein Runder Tisch einberufen. Experten sind sich über die Ursachen uneinig. Trotzdem will Prof. Pfeiffer ein sofortiges Verbot.

Juli 2010: Google veröffentlicht Version 3.0 von Android mit überarbeiteter Funktionalität „Augmented Reality„. Sofort kursieren mehrere Porno-Apps im Internet. Der Aktienkurs von Google Inc. steigt um weitere 12 Prozent.

August 2010: Der deutsche Werberat rügt ein Unternehmen, das Hundefutter/Kaffeefilter/Modeschmuck/Putzlappen produziert. In der Pressemitteilung heißt es: „Die Anzeige/Kampagne/Werbung von XXX ist demütigend/beleidigend und menschenunwürdig. Das Unternehmen versucht seine armselige/nichtsnutzige Botschaft mit erotischen/sexuellen Anspielungen und den Bildern leicht/nicht-bekleideter weiblicher Ober-/Unterkörper zu transportieren.“

September 2010: Nachdem Großbritannien/Lettland/Kuba/Thailand mit Internetsperren große Erfolge im Kampf gegen illegales Filesharing/Pornografie/Sportwetten/Killerspiele/Catcontent/Hasspropaganda feiert, fordert der deutsche Innenminister/Kardinal/BKA-Präsident eine Gesetzesänderung. Er betont, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei und Sperrungen zu keinen grundrechtsrelevanten Eingriffen führen würden.

Oktober 2010: Das dreiundfünfzigste Medienkompetenzprojekt einer Jugendschutzbehörde/Landesmedienanstalt/Familienministerin wird feierlich gestartet. Es hört auf den Namen: UnKeN – Unsere Kinder (sicher) im Netz.

November 2010: Wenige Tage nach Einführung von Nacktscannern an deutschen Flughäfen werden schwarz-weiße Schmuddelfotos von Promis und Politikern veröffentlicht und FKK-Airlines nimmt die erste A320 in Betrieb

Dezember 2010: Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) wählt „Porno“ zum Wort des Jahres. In der Begründung heißt es: „Porno war seit Anfang des Jahres in der öffentlichen Diskussion präsent und verbreitete sich weit über den Wortsinn hinaus.“ Auf den folgenden Plätzen landen Aufwrackprämie, Klimapanik, Bummdidumm, Lurch, Abmahnistan, Nacktflug, Westerwellen und Wurstsalat.