Sitte und Moral

Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.September 2010 (27 W (pat) 96/10):

In der Beschwerdesache betreffend die Markenanmeldung 307 11 542.9 hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 28. September 2010 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

… Das ist damit begründet, das angemeldete Zeichen verstoße gegen die guten Sitten, so dass ihm das Eintragungshindernis nach §8 Abs. 2 Nr.5 MarkenG entgegenstehe. Maßgeblich sei dabei die Auffassung der Gesamtheit der durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der maßgeblichen Waren, wobei weder eine übertrieben laxe noch eine besonders feinfühlige Ansicht entscheidend sei.

Zwar dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass die maßgebliche Verkehrsauffassung von einer fortschreitenden Liberalisierung der Anschauungen über Sitte und Moral geprägt werde. Zeichen mit einer diskriminierenden, die Menschenwürde verletzenden Aussage dürfe aber kein staatlicher Markenschutz verliehen werden.

Auch wenn die Fans der Anmelderin die angemeldete Darstellung als Aufdruck auf Merchandisingprodukten bzw. auf Bühnen und Plakaten akzeptiert hätten, bedeute dies nicht, dass alle die Erteilung des angemeldeten Zeichens als Marke akzeptierten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich die beanspruchten Waren an breite Kreise, auch an Kinder, richteten.

… Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, verstoßen Marken gegen die guten Sitten, wenn sie geeignet sind, das Empfinden eines beachtlichen Teils der Verbraucher zu verletzen, indem sie sittlich anstößig wirken oder eine grobe Geschmacksverletzung enthalten.

Das Warenverzeichnis enthält keinerlei Einschränkungen, die den angesprochenen Kundenkreis in irgendeiner Weise einengen könnte. Dass die Anmelderin nur bestimmte Altersgruppen umwirbt, ist eine jederzeit änderbare Vermarktungsstrategie, die keinen Einfluss auf die hier zu treffende Beurteilung hat.

Innerhalb der somit zu berücksichtigenden allgemeinen Kreise gibt es nach Auffassung des Senats durchaus einen beachtlichen Teil, der die Darstellung im angemeldeten Zeichen als anstößig empfindet. Die von der Markenstelle angesprochene und von der Anmelderin betonte Liberalisierung der Anschauungen, was anstößig wirkt, betrifft nämlich nicht Darstellungen, die Gewalt in irgendeiner Weise zeigen. Marken mit einem Personen als Opfer zeigenden oder sonst diskriminierendem Inhalt können daher keinen staatlichen Schutz erfahren (vgl. BPatG Mitt. 1985, 215; BGH GRUR 1995, 592, 594).

Es kommt also nicht darauf an, inwieweit die hier dargestellte Person bekleidet ist, sondern allein darauf, dass sie geknebelt und gefesselt ist. Die Darstellung lässt insoweit keinen ironischen, humorvollen oder kritischen Gehalt erkennen. Die dahinterstehende Geschichte aus einem Comic ist weder allgemein bekannt, noch kommt sie in der Zeichnung zum Ausdruck. Auch die Gesichtszüge der dargestellten Person geben keinen Anlass, die Graphik nicht als anstößig im oben genannten Sinn anzusehen.

via Markenblog

Ein Gedanke zu „Sitte und Moral

  1. Marc B.

    Eine eingetragene Marke wäre zwar aus Sicht der Band wünschenswert gewesen, doch die arme Gwendoline ist zwar gefesselt und geknebelt, aber nicht völlig schutzlos. Sie ist als Benutzungsmarke etabliert und daran kann die Ablehnung nichts ändern.

    Dass die relevanten Verkehrskreise die Figur als kennzeichnend ansehen, geht zB aus dem Wikipedia-Artikel hervor, der Gewendoline als „Maskottchen“ und „beliebtes stylistisches Dekorationselement“ darstellt.

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